Hauptpreisträgerin

Tabea Zimmermann

Essay

Originalton, unverpackt. Hommage an Tabea

von Patrick Hahn

Verpackungsindustrie, ausgerechnet. Reist man auf den Datenautobahnen des World Wide Web ohne Umwege zur virtuellen Präsenz des Geburtsortes von Tabea Zimmermann, weist das Stadtmarketing unter anderem auf die Bedeutung der Verpackungsindustrie für die Stadt Lahr im Schwarzwald hin. Nichts möchte man weniger mit ihr in Verbindung bringen als die Bereitstellung von leeren Verpackungen, mit Frau Zimmermann, oder vielmehr: mit „Tabea“, wie sie in Musikerkreisen schlicht gerufen wird. (Und es gibt niemanden weit und breit, der sich daran erinnern könnte, dass auch irgend jemand jemals nachgefragt hätte, um welche Tabea es sich handele, wenn der Name fällt, als ob es nur diese eine geben könne, was ja auch unbestritten der Fall ist.) Tabea Zimmermann, Tabea also, ist in einer an Äußerlich- und Künstlichkeiten nicht gerade armen Musikindustrie zu einem Inbegriff geworden für ein geradezu unbestechliches Musizieren, für eine authentische, persönliche Haltung, nicht scheu, auch unangenehme Wahrheiten über den Betrieb auszusprechen oder dessen scheinbaren Eigengesetzlichkeiten zu widersprechen, eine Künstlerin, die alle Energie darauf lenkt, zum Kern eines musikalischen Werkes vorzudringen – und diese Erfahrung mit ihrem Publikum zu teilen.

„Da bin ich sowas von allergisch drauf“, lacht sie, „wenn sich ein Interpret vor ein Werk stellt. Aber es ist modern heute.“

Eine Musikerin, die nicht sich selbst ausdrücken möchte, sondern ein Werk. Träume einer Unzeitgemäßen?

„[…] Wie in der japanischen Kultur ein kleiner japanischer Garten eine Oase darstellt, ist für mich jedes Musikstück auch eine gewisse Rückzugs-möglichkeit in unserer lauten, schnellen und groben Welt.“

Unzeitgemäße Betrachtungen

Das Gefühl, unzeitgemäß zu sein, begleitet Tabea Zimmermann schon seit ihrer Jugend: „Als Mädchen, das zwar sehr gut Bratsche spielen konnte, aber aus einem strengen, religiösen Elternhaus kam, fand ich mich schon als Jugendliche ‚unzeitgemäß‘, weil ich mir altmodisch, irgendwie anders vorkam. Ich habe mich in meinem Einzelgängertum einfach immer wieder auf das Musizieren zurückbesonnen, das für mich immer wieder ein großes Erfolgserlebnis war, mich anderen mitteilen und über die Musik kommunizieren zu können. Es gelingt mir, die Zuhörer daran teilhaben zu lassen, wie ich auch vertraute Dinge jeden Tag neu anschaue. Bewahrt hat sich das Gefühl, nicht überall dazugehören zu wollen.“

Es gelingt mir, die Zuhörer daran teilhaben 
zu lassen, wie ich auch vertraute Dinge jeden Tag neu anschaue.
Tabea Zimmermann

Zum Kreis der größten Interpretinnen ihrer Epoche gehört Tabea zweifelsohne dazu, und auch das schon bereits seit jungen Jahren. Spätestens mit dem Gewinn des ersten Preises beim Concours de Genève 1982 hat sie sich ins Rampenlicht der internationalen Aufmerksamkeit gespielt – und dies mit einem Instrument, über das Berlioz mit Fug und Recht schrieb: „Von allen Instrumenten im Orchester ist die Viola dasjenige, dessen ausgezeichnete Eigenschaften man am längsten verkannt hat.“ Dass die Qualitäten dieses Instrumentes stärker ins Bewusstsein gerückt sind und weiterhin rücken, ist nicht zuletzt das Verdienst von Tabea.