Förderpreis Komposition 2025

Bastien David

Essay

Der „Kleine Prinz“ eines von Insekten besiedelten Planeten.
Zur Musik von Bastien David

von Pierre Gervasoni

Die Musik von Bastien David erkennt man recht schnell, unabhängig von der Besetzung und vor allem unabhängig von der Zeit, in der sie entstanden ist. Der Komponist Bruno Mantovani, der David in seiner Funktion als Direktor des Pariser Konservatoriums (CNSMDP) kennenlernte, bestätigt, dass „Bastien schon mit 20 Jahren eine eigene Identität“ hatte. Um diese genauer zu definieren, muss man sich zunächst auf das erste Exemplar einer vielversprechenden musikalischen Spezies konzentrieren. Im zweiten Schritt muss man einen bereits umfangreichen Katalog durchforsten, um sehr analytisch „den Honig“ in einer Synthese zu sammeln, die gleichzeitig konzentriert und diffus ist, womit sie der Natur dieser Musik selbst entspricht, die sich ebenso konsistent in ihren Prinzipien wie flüchtig in ihren Konturen zeigt.

Digitale und genetische Fingerabdrücke

Im Jahr 2022 erklärte Bastien David auf France Musique, er habe sich bereits in seinem „ersten komponierten Stück“ gefunden, seinem Pièce pour piano et 60 doigts („Stück für Klavier und 60 Finger) oder, „genauer gesagt, 30 Finger auf der Tastatur und 30 Finger im Resonanzkörper“. Diese Arbeitsteilung (zwischen drei Pianist*innen und drei Schlagzeuger*innen) entspringt dem Konzept der Dualität, das auf allen Ebenen der Partitur präsent ist. Vom Rohmaterial (das Klavier ist historisch gesehen sowohl ein Saiten- als auch ein Schlaginstrument) über seine Behandlung (abwechselnd bestimmt und flüchtig) bis hin zu seiner Einordnung in ein ästhetisches Feld (näher an der Aufhebung der Grenze zwischen Tonhöhen und konkreten Klängen, wie sie beispielsweise Clara Iannotta anstrebt, als am reinen und harten „Bruitismus“, wie er von John Cage oder Helmut Lachenmann repräsentiert wird). Auch die eingesetzten Spieltechniken (im Jargon der zeitgenössischen Musik als „Spielweisen“ bezeichnet) sind äußerst vielfältig (z. B. die Art der verwendeten Schlägel) und manchmal auch ungewöhnlich (z. B. ein Vorhang aus langen Metallstiften) und lassen sich auf zwei unterschiedliche, wenn nicht gar gegensätzliche Arten des Kontakts zurückführen: den Schlag (auf Holz oder Saiten) und das Streicheln (streichen, rubbeln, kitzeln, jeden Teil eines Klangkörpers anregen).

Das Ergebnis ist eine Musik, die sich in zwei Dimensionen bewegt. Die eine, die in einem recht einfachen Rhythmus gehämmert wird, schreitet voran wie ein sakraler Tanz. Die andere, die durch das Nachhallen von dumpfen Tönen oder das Streuen von hohen Noten angedeutet wird. Eine Zeitachse, die zeitweise einer melodischen Linie folgt, und ein sie umgebender Raum, der einem Nebel aus unerhörten Klangfarben gleicht. Der Fingerabdruck und die DNA des Musizierenden. Unbeirrbar und schwer fassbar, so erscheint Bastien David. Was die Form dieses emblematischen Stücks betrifft, scheint sie letztlich dem Willen zu entsprechen, alle Elemente bis zum Maximum auszureizen. Der Tonumfang (immer ausgedehntere Tonhöhen), die Frequenz (immer intensivere Schläge), der Charakter (rohe, wilde Klänge gewinnen die Oberhand über „zivilisierte“, ostinatoartige Motive) und die Dichte (die Wolke wird atomar). Im letzten Abschnitt entsteht der Eindruck, dass dieser massive „Klavierangriff“, von demjenigen, der ihn angeordnet hat – Komponist, Schamane oder Schockwellengenerator? – nicht mehr beherrscht wird. Im Konzert kann niemand sehen, wie die Interpret*innen vorgehen, die sich über das Instrument beugen wie über einen zu behandelnden Körper, dessen Anatomie sie verbergen. Sind sie Anhänger eines geheimen Rituals, Chirurg*innen oder Physiotherapeut*innen im Dienst? Das Geheimnis bleibt ungelöst. Nicht zuletzt dank des Titels, der die Absichten des Komponisten diesmal nicht erkennen lässt. Einmal ist keinmal.

Porträt von vorne und im Profil

Jede Partitur von Bastien David trägt das plastische und zugleich luftige Markenzeichen, das 2014 dem Pièce pour piano et 60 doigts verpasst wurde. Die Dialektik der motorischen Achse im Zentrum und der am Rand flatternden fantasievollen Unruhe ist auch in Six chansons laissées sans voix (2020) für 9 Instrumente (2020) spürbar. Auf der einen Seite die minimalistische, sich wiederholende Geste des Bogens auf Holzlamellen, auf der anderen das unendliche Vibrieren der Klaviersaiten durch einen großen Schlägel. Oder das gleichmäßige Reiben eines feuchten Schwamms auf einem Luftballon und das absichtsvolle Dehnen einer Angelschnur um eine Harfensaite. Methodisches und Instinktives wechseln sich ab, wobei im Mittelpunkt immer eine „echte“ Melodie und auf lange Sicht eine zwingende Ordnung steht. Von vorne betrachtet ist Bastien David ein Komponist, der seine Musik „beherrscht“. Aber was ist mit den Klängen, die an die Spielzeuginstrumente eines Mauro Lanza erinnern (z. B. die heulende Kiste in Barocco)? Sind diese ululierenden, stöhnenden, brüllenden Tiergeräusche nicht eher typisch für ein großes Kind?

Wie seine Werke muss auch das Porträt des Schöpfers selbst ein doppeltes oder gar doppeldeutiges sein. Ob im elektroakustischen Medium (die Loopings von Flytox zwischen Höhenflügen und tiefen Abstürzen) oder im streng instrumentalen Bereich (L’ombre d’un doute, Konzert für zwei Celli, in der Verlängerung eines Solos mit dem Titel Riff, für ein präpariertes Cello) – Bastien Davids Vorliebe für die Zweifachheit ist offensichtlich. Selbst in den Details einer Partitur (Vendre le ciel aux ténèbres), in der ein Geiger einen Ton pfeift, der sich leicht von dem unterscheidet, den er auf seinem Instrument spielt. Von Becs et ongles (für Solovioline) bis Urban Song (für großes Ensemble) sind die Klänge immer Gegenstand eines Zwiespalts. Wenn sie Lebewesen wären, würde man meinen, dass sie ihre Ellenbogen ausfahren müssen, um gehört zu werden. Tatsächlich sagte Bastien David, dass er seine Partituren „als soziale Umgebungen versteht, in denen die Klänge zusammenleben, miteinander reden, sich wiederholen, sich lieben, kämpfen und sich anziehen“. Ganz allgemein sind die Werke auf höchster Ebene der Ensembleproduktion auch dazu prädestiniert, nebeneinander zu bestehen und aus der Distanz aufeinander zu reagieren – das hat man bei Riff (2017) und L’ombre d’un doute (2022) gesehen. Es schien daher angebracht, über einen Zyklus nachzudenken. Der Komponist hat sich bereits daran gewagt…

„Dessine-moi un M…“ („Zeichne mir ein Schaf…“)

Mit seiner Begeisterung für die Welt und das in ihr existierende Leben hat Bastien David seine Musik aus einem persönlichen Urknall entstehen und sich weiterentwickeln lassen. Als Kind erforschte er spielerisch die Welt der Klänge, was auch durch seine Ausbildung am Konservatorium nicht verloren ging. Seinen Planeten mit einer Vielzahl von Wolken (Nuées d’encre, für großes Ensemble) oder Rauch (Toccata di fumo, für 4 Akkordeons) zu gestalten, reichte ihm irgendwann nicht mehr aus, um seine Vorstellungskraft zu teilen. Mit der Arglosigkeit und Entschlossenheit des Kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry wollte er, dass man ihm einen „Traumkasten“, ein Metallophon, zeichnet. Und nach zehn Jahren des Nachdenkens und Forschens war es endlich da: Ein kreisförmiges Instrument mit 216 Tönen, mikrotonal in Zwölfteln gestimmt. Er machte es zum Dreh- und Angelpunkt von Chlorophyll Synthesis (2023), dem zweiten Teil (nach Urban Song) eines Zyklus, der noch keinen Namen hat, ganz im Gegensatz zu der Musikgruppe, die eigens gegründet wurde, um diesen futuristischen Ring mit einem Umfang von 15 Metern zu erforschen: „Les Insèctes“. Es lag nahe, dass Bastien David, der in seinen Werken gerne Schwärme von Noten und Zickzack-Klängen verwendet, mit dieser Metapher (die auch im Titel eines Trios aus dem Jahr 2021 zum Ausdruck kommt) die sechs Schlagzeuger bezeichnet, die sich um sein Lieblingsinstrument bemühten. Eine Zeit lang schien das Akkordeon diese bevorzugte Rolle zu spielen (fast ein Dutzend Werke verwenden es), wahrscheinlich weil es die Besonderheit eines Klangs bietet, der selbst bei gehaltenem Ton nie erstarrt (unendliche Vibrationen).

Neben seinen Versprechungen einer neuen Welt, auch auf philosophischer Ebene, wird das Metallophon Bastien David es ermöglichen, seine Betrachtungen „des Klangs als zu entdeckendes Element/Territorium“ noch weiterzuführen, die Gérard Pesson bei seinem Schüler in der Kompositionsklasse am CNSMDP so gut erfasst hat, als er seine Musik als „eine Art klanglicher Landkunst“ beschrieb, in die jeder auf seine Weise eintauchen kann“. Unsere bestand darin, Kraftlinien in zwei entgegengesetzten Richtungen – die Achse der analytischen Untersuchung und den Nebel der sensiblen Wahrnehmung – aufzuzeigen, in der Hoffnung, das „Modell einer kohärenten Welt“ zu erstellen, das laut Bastien David das Ziel jeder seiner Kompositionen ist.