räsonanz – Luzern 2022

Jean Sibelius

Jean Sibelius (1865–1957) gilt nicht nur als die herausragende Persönlichkeit finnischer Musik. Mit seinem kompositorischen Œuvre – vor allem den sieben Sinfonien, dem Violinkonzert und den Sinfonischen Dichtungen – nimmt er auch eine eigenständige Position in der europäischen Musikgeschichte an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein. Sibelius wurde im gleichen Jahrzehnt wie Puccini, Mahler, Debussy, Richard Strauss, Skriabin, Rachmaninoff und Schönberg geboren, zu einer Zeit, als seine Heimat Finnland politisch von Russland und kulturell von Schweden beherrscht wurde. Dennoch ist er eine Ausnahmeerscheinung unter diesen Komponisten geblieben: Während sein Frühwerk deutlich von der deutschen und der russischen Schule – insbesondere von Brahms und Tschaikowsky – beeinflusst wurde, lässt sich die Tonsprache seiner reifen Kompositionen nicht mehr einordnen.

In Skandinavien, Großbritannien und Amerika wurde das Werk des finnischen Komponisten stets vorbehaltlos anerkannt und aufgeführt. In Deutschland, wo viele seiner Kompositionen verlegt worden sind, hat man ihm diese Aufmerksamkeit nicht immer geschenkt. Erst in den späten sechziger Jahren hat eine vorurteilsfreiere Würdigung des Komponisten auch in Deutschland eingesetzt.

Jean Sibelius‘ Beziehung zu Deutschland begann schon im 19. Jahrhundert, als der Komponist 1889 mit einem Dampfschiff von Helsinki nach Berlin reiste, um dort Komposition und Musik zu studieren. Diese Studienreise war von großer Bedeutung für die finnische Musikgeschichte, weil Sibelius unter anderem Elemente aus der europäischen Sinfonietradition übernahm. Auch die musikalischen Vorbilder von Sibelius, z.B. Mozart und Mendelssohn, kamen aus der deutschen Tradition.

Der Komponist war so selbstkritisch, dass er seine voller Spannung erwartete, Ende der 20er Jahre begonnene Achte Symphonie eigenhändig vernichtete; bereits 30 Jahre vor seinem Tod hörte er praktisch auf zu komponieren.