Ernst von Siemens Musikstiftung trauert um Wolfgang Rihm

Die Neue Musik hat einen Macher verloren, einen großen Geist, genialen Komponisten und wunderbaren Menschen. Die Ernst von Siemens Musikstiftung trauert um ihr langjähriges und bedeutendes Mitglied Wolfgang Rihm, der im Kuratorium die Geschicke und das Gesicht der Stiftung seit 1993 nachhaltig geprägt hat.

Er war und ist eine Integrationsfigur für die gesamte Neue Musik und insbesondere für die Ernst von Siemens Musikstiftung. Seine umsichtige, offene Art, sein schier grenzenloser Wissensschatz, seine Neugier und nicht zuletzt sein unvergleichlicher Humor haben die Sitzungen des Kuratoriums bereichert und vervollkommnet.

Wolfgang Rihm hat die Stiftung über viele Jahre tief geprägt. Er war nicht nur ein herausragender Komponist und großer Gelehrter, sondern auch ein ganz wunderbarer Mensch. Alle, die ihn persönlich kennenlernen durften, werden ihn immer in besonderer Erinnerung behalten.
Ferdinand von Siemens,
Stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrates

Rihm, der 1952 in Karlsruhe zur Welt kam, war einer der bedeutendsten Komponisten seiner Zeit. Bereits als Jugendlicher sorgten seine Werke für Aufsehen, z. B. bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik, wo 1977 seine Musik für drei Streicher einen Eclat auslöste und einen kompositorischen Paradigmenwechsel einleitete. Rihm hat die Musik der vergangenen 50 Jahre wie kaum ein anderer Komponist geprägt. Auch als Hochschullehrer hat Rihm Großes geleistet und begabten Studierenden wiederholt dabei geholfen, herausragende Komponist*innen zu werden.

„In den Jahrzehnten seiner Mitgliedschaft in der Ernst von Siemens Musikstiftung hat Wolfgang Rihm stets die Anliegen junger Komponisten und Komponistinnen vertreten, sie zu unterstützen und auf ihrem Karrierewege helfend zu begleiten war seine wichtigste Aufgabe.

Wolfgangs Persönlichkeit, sein enormes Wissen und sein konziliantes Wesen haben die Ernst von Siemens Musikstiftung geprägt und ich werde seine wunderbare musikalische Freundschaft und seinen Rat nie vergessen.“

Thomas Angyan, Vorsitzender des Kuratoriums

Stefan Deuber

Wolfgang Rihm mit Lisa Streich bei Lucerne Festival 2016

2003 erhielt Wolfgang Rihm selbst den Ernst von Siemens Musikpreis für seine herausragenden Leistungen als Komponist und Lehrer, für ein Lebenswerk im Dienste der Musik. Ein Ausschnitt aus der Urkunde:

„Wolfgang Rihm ist einer der fruchtbarsten und vielseitigsten Komponisten der Gegenwart. Mit unerschöpflicher Phantasie, vitaler Schaffenslust und scharfer Selbstreflexion hat er ein an Facetten reiches Œuvre geschaffen, das schon heute über vierhundert Kompositionen aus allen musikalischen Gattungen umfasst. In Rihms Musik manifestiert sich der Glaube an die unzerstörbare Existenz des schöpferischen Individuums, das seine Kraft und Würde gegen alle äußeren Gefährdungen zu behaupten vermag.“

Als vielseitig gebildeter Musiker pflegt er einen intensiven Dialog mit den anderen Künsten. Gleichwohl hat er sich nie in den Elfenbeinturm zurückgezogen. Sein präzises, von philosophischen Fragen geleitetes Nachdenken über Probleme des künstlerischen Schaffens hat literarisches Niveau und öffnet dem Zuhörer und Leser weite Horizonte.

Mit Wolfgang Rihms Tod ist nicht nur ein äußerst produktives Künstlerleben zu Ende gegangen, sondern eine ganze Ära, die er geprägt hat wie wenige andere. Die Lücke, die er hinterlässt ist schmerzlich, musikalisch wie menschlich. Fehlen wird uns seine unstillbare Neugier und Lernbereitschaft, sein immenser nicht nur Hör-Erfahrungsschatz, sein enzyklopädisches Wissen, seine unbestechliche Urteilskraft, sein scharfes Denken und seine wunderbare Formulierungskunst und nicht zuletzt seine Sinnenfreude – kurz: seine ganze Menschlichkeit. Bleiben werden immerhin die Erinnerungen und, vor allem anderen, seine Musik.
Uli Mosch,
Mitglied des Kuratoriums

In tiefer Dankbarkeit,

Stiftungsrat, Kuratorium, Geschäftsführung und Sekretariat des Kuratoriums der Ernst von Siemens Musikstiftung.

„Wolfgang Rihm schrieb mir während der Arbeit an seinem 2. Bratschenkonzert im März 2002:
‚Diesen letzten Teil, die Consolatio, schrieb ich als sehr weitgehend umgeformte Paraphrase einer Vertonung von diesem Gedicht von Hermann Lenz:

MeeresLuft

Milde Meeresluft,
Der Himmel zuweilen gewitterschwarz.
Dann ein Abendlicht,
Als wäre etwas zu finden
Wenn einer unbeirrt westwärts fliegt.
Vielleicht leuchtende Ewigkeit.’

Dem bleibt nichts hinzuzufügen …“

Tabea Zimmermann, Vorsitzende des Stiftungsrates