
2xGoldstein
Frühjahrstagung 2025
Institut für Neue Musik und Musikerziehung, Darmstadt (DE)
Wie die Titel der beiden vorangegangenen Frühjahrstagungen des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt (Raue Zeiten, Künstlerisch intelligent) eröffnet auch das für 2025 geplante Tagungsthema zugehören ein weites Resonanzfeld. Es legt Anknüpfungspunkte nahe, sowohl innerhalb wie außerhalb der Musik: Nach innen gewendet lässt sich die Frage nach der Legitimität kompositorischer Organisationsprinzipien stellen, die mit jeder Entscheidung FÜR Formprozesse und Materialien notgedrungen immer auch Ausschlüsse produzieren. Sind Poetologien, die sich derart um werkimmanente Folgerichtigkeit und Lückenlosigkeit bemühen, heute noch denkbar oder muss sich Komponieren nicht weitaus radikaler möglichen Fragen nach Kontingenz und Öffnung stellen und in diesem Zuge auch mit ästhetischen Idealen wie Stimmigkeit oder Konsequenz kritisch auseinandersetzen?
Außerhalb konkreter musikalischer Zusammenhänge rührt die Frage des Zugehörens an gesellschaftliche Problemfelder, deren Brisanz und Aktualität wohl kaum groß genug zu denken sind. So wäre darüber nachzudenken, ob eine verstärkte Berücksichtigung von Teilhabegerechtigkeit auch als eine Forderung formuliert werden sollte, die an alle Akteur*innen der Gegenwartsmusik zu stellen ist. Mit der letztgenannten Frage wird eine Nahtstelle zwischen inner- und außermusikalischen Aspekten der Thematik berührt, für deren Bearbeitung sich mittlerweile Praxen wie die Community Music oder das Social Composing entwickelt haben. Wird mit diesen Ansätzen die Vorstellung des autonomen und latent einsamen Künstlers zu einem Auslaufmodell? Oder werden mit ihr nicht gerade individuelle Schutzräume bezeichnet, die es um jeden Preis zu bewahren gilt?
Diese Themenstellung soll auf der Tagung in einem Wechselspiel aus Konzerten, wissenschaftlichen Vorträgen und Workshops diskutiert werden. Einen wesentlichen Schwerpunkt wird die Begegnung mit Komponist*innen/Performer*innen bilden, die auf jeweils eigene Art die mit dem Thema verbundenen Herausforderungen in ihr kompositorisches Handeln einfließen lassen. Mit der Südtiroler Komponistin Manuela Kerer wird eine Künstlerin porträtiert, die sich, im Bereich der Neuen Musik äußerst ungewöhnlich, in ihrem Schaffen immer wieder von der alpenländischen Volksmusik ihrer Heimat inspirieren lässt. Der Komponist Hannes Seidl hat in einer Reihe genreübergreifender Arbeiten immer wieder Fragen kultureller und künstlerischer Identität thematisiert. So werden im Projekt Überläufer (eine Kooperation mit Studierenden aus den Bereichen Musik und Szenografie) die Themenfelder Migration und Vernetzung zu einer Klang-Raum-Komposition verbunden, die sich in ständigem Wandel befindet. Mit Gabriel Dharmoo wird ein Composer-Performer porträtiert, der in vielen Arbeiten die Vorstellung von Musik als einem per se verbindenden und Zugehörigkeit stiftenden Medium dekonstruiert. In der Performance Anthropologies imaginaires greift er unterschiedlichste vokale Ausdrucksformen aus aller Welt auf und integriert sie in imaginäre folkloristische Kontexte; dieses vokale Kaleidoskop stellt die kulturellen Aneignungsautomatismen einer globalisierten Welt auf humorvolle Weise in Frage. Eine Besonderheit stellt die Einladung von Śabdagatitāra dar. Dieses von dem Kurator/Komponisten Sandeep Bhagwati jüngst initiierte internationale Netzwerk hat sich zur Aufgabe gemacht, neuartige Konzepte eines trans-traditionellen Musizierens zu erproben. Die Musiker*innen fühlen sich dadurch zutiefst verbunden, dass sie alle mehr als eine Tradition vertreten. Das speziell für uns zusammengestellte Ensemble in Residence wird in offenen Proben und Gesprächsformaten den Prozess der Musikentstehung für die Tagungsgäste mit-vollziehbar werden lassen.
Die Ernst von Siemens Musikstiftung unterstützt die Frühjahrstagung 2025.
Weitere Informationen:
neue-musik.org
Termine
9. – 12. April 2025
Verschiedene Orte, Darmstadt