Jens Schlüter

Kompositionsauftrag an Jörg Widmann

Bachfest Leipzig (DE)

2023 feiert das Bachfest Leipzig das Jubiläum des 300. Jahrestages von Johann Sebastian Bachs Amtsantritt als Leipziger Thomaskantor. Das Festivalprogramm steht unter dem Motto BACH for Future und vereint klassische und zukunftsweisende Formate. Im Eröffnungskonzert am 8. Juni in der Thomaskirche in Leipzig werden deshalb der Thomanerchor und das Gewandhausorchester unter der Leitung des Thomaskantors Andreas Reize nicht nur Johann Sebastian Bachs Antrittskantate Die Elenden sollen essen BWV 75 aufführen, sondern auch eine eigens komponierte Kantate von Jörg Widmann. Der Kompositionsauftrag an Jörg Widmann für das Bachfest Leipzig wird von der Ernst von Siemens Musikstiftung ermöglicht.

Beide Stücke verbindet ihr Gegenstand. Bachs Kantate, komponiert für den Ersten Sonntag nach Trinitatis 1723, ist inhaltlich eine Auslegung des berühmten Gleichnisses des armen Lazarus und dem reichen Mann (Lukas 16, Verse 19-31). Im Mittelpunkt stehen dabei Reflektionen über das richtige Verhältnis zwischen Arm und Reich, über das Trachten nach geistigen und nicht materiellen Gütern und letztlich die Frage nach den maßgeblichen Werten im Leben. Jörg Widmanns Komposition, eine circa 40-minütige Kantate für Soli, Chor und Orchester, soll auf mehreren Ebenen in einen Dialog mit Bachs 300 Jahre alter Antrittsmusik treten. Die Reflektionsebenen werden dabei zum einen die in Bachs Kantate angerissenen Themen sein. Hinzu tritt eine weitere: Bachs Auseinandersetzung mit dem Buch Prediger (Kohelet/Der Prediger Salomo), wie sie in der sogenannten Calov-Bibel dokumentiert ist. In den 1930er Jahren tauchte im Concordia Seminar St. Louis, Missouri, das aus Bachs Besitz stammende Exemplar einer Bibel auf, die neben dem originalen Bibeltext zugleich Erläuterungen von Martin Luther und dem Wittenberger Theologen Abraham Calov (1612-1686) wiedergibt. In dieser Bibel hat Bach häufig gelesen und handschriftlich allerhand eigene Kommentare und Unterstreichungen hinzugefügt. Sie stammen aus den 1740er Jahren, also aus dem letzten Lebensjahrzehnt Bachs. Die meisten Unterstreichungen finden sich im Buch Prediger, einem von Pessimismus und Skeptizismus geprägten Buch des Alten Testaments. Die betreffenden Passagen behandeln Fragen nach dem Sinn des Lebens und zu den Themen Vergänglichkeit und richtige Lebensführung im Angesicht einer ungewissen Zukunft.

Weitere Informationen:
bachfestleipzig.de

Termin

8. Juni 2023
Thomaskirche Leipzig