
Kompositionsauftrag an Salvatore Sciarrino
Stiftung Bühnen Bern (CH)
Unsere Gegenwart wird häufig als eine Krisenzeit beschrieben, in der erneut konventionelle Territorialkriege wie in der Ukraine geführt werden – ganz so, als hätte man nicht aus der Geschichte gelernt. Die daraus resultierenden Verletzungen und Traumata sind schon jetzt nicht übersehbar. In vielen Bereichen werden erneut alte, archaische Strukturen erkennbar. Die Bedeutung des Mythos, wie ihn Hans Blumenberg als ständige „Arbeit“ beschrieben hat, schlägt wieder durch. Dabei sind die konkreten Kriegshandlungen das eine: Die Folgen, gerade was Traumatisierungen der Kriegsteilnehmer*innen und/oder Geflüchteten betrifft, werden in den kommenden Jahren einen immer größeren Raum einnehmen. Also haben auch zwei Jahrtausende nach ihrer Entstehungszeit die griechischen Tragödien noch viel über unsere menschliche Existenz und über unsere heutige Gegenwart zu berichten und offenbaren Grundlagen der menschlichen Existenz. Gerade die Orestie des Aischchylos ist immer wieder Ankerpunkt, wenn es um die Beschreibung kultureller Aufarbeitung von Krieg geht.
Im Auftrag der Bühnen Bern schafft der führende italienische Opernkomponist der Gegenwart, Salvatore Sciarrino, ein neues Musiktheater mit dem Titel Agamennone. Dieser Kompositionsauftrag wird von der Ernst von Siemens Musikstiftung unterstützt.
Salvatore Sciarrino will seine Arbeit am Mythos fortsetzen und mit seinen sensiblen und sensitiven Klängen eine Brücke schlagen vom alten Stoff in unser hier und jetzt. Seit jeher ist Sciarrino ein Komponist der Stille, der in seinen obertonreichen Klangfarben ein Spektrum ausbreitet, das sich wie sensible menschliche Synapsenverbindungen ausnimmt. In den vergangenen Jahren hat sich der Komponist immer intensiver mit der Beziehung zwischen Klytemnästra und Agamemnon beschäftigt, weil er darin die elementaren seelischen Verletzungen verlorengegangener menschlicher Liebe entdeckt – und diese feinen Abstufungen einer erkalteten Beziehung werden durch die kammermusikalische Ausziselierung eingefangen.
Die Oper ist bewusst für ein kleineres Sänger*innen-Ensemble gedacht und beschäftigt sich mit dem familiären Beziehungsdreieck der Eltern Klytemnästra und Agamemnon sowie der Seherin Kassandra – die eine Scharnierfunktion zwischen der privaten Katastrophe zur Öffentlichkeit darstellt und daher immer auch den Bezug zum Publikum ins Visier nimmt. Ansonsten gibt es außer einem Herold sowie einem Diener kein weiteres Personal. Daraus wird ersichtlich, dass der Komponist hier das Konzentrat aus einem Mythos zu ziehen versucht. Die zentralen Rollen werden zudem dem Ensemble der Oper Bern in die Kehle geschrieben, darunter Mezzo und Bariton.
Weitere Informationen:
buehnenbern.ch
Termine
30. Mai 2026
2., 6., 12. und 14. Juni 2026
Stadttheater Bern