Ernst von Siemens Musikpreis 2021
Georges Aperghis
Biografie
Georges Aperghis wurde 1945 in Athen geboren. Seit 1963 lebt und arbeitet er in Paris. Die Auseinandersetzung mit Sprache und deren Bedeutung kennzeichnen seine Kompositionen, die, ob instrumental, vokal oder für die Bühne, die Grenzen des Verständlichen ausloten und bewusst die Wahrnehmung der Grundelemente menschlicher Kommunikation stören.
Aperghis´ Musik ist nicht streng an eine musikalische Ästhetik des zeitgenössischen Musikschaffens gebunden, sondern sucht den Dialog mit anderen Kunstformen – mit Theater und Literatur, Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der bildenden Kunst. Seine Werke lassen sich durch eine extreme Offenheit gegenüber dem Anderen charakterisieren. Diese Andersartigkeit verbindet sich mit Innovation, indem er Elektronik, Video, Maschinen, Automaten oder Roboter in seine Kompositionen integriert.
Aperghis arbeitet eng mit einer Gruppe von InterpretInnen zusammen, die in alle kreativen Prozesse miteingebunden sind. 1976 gründete er mit MusikerInnen und SchauspielerInnen das Atelier Théâtre Et Musique (ATEM) in Bagnolet, eine Art Versuchslabor, in dem Aufführungen und Workshops erarbeitet wurden, an denen die BewohnerInnen von Bagnolet im Nordosten von Paris teilnehmen konnten.
Seitdem entwickelte er eine enge Zusammenarbeit mit SchauspielerInnen (Edith Scob, Michael Lonsdale, Valérie Dréville, Jos Houben), InstrumentalistInnen (Jean-Pierre Drouet, Richard Dubelski, Geneviève Strosser, Nicolas Hodges, Uli Fussenegger, Mariangela Vacatello) und SängerInnen (Martine Viard, Donatienne Michel-Dansac, Lionel Peintre). Seit den 1990er Jahren entstanden neue künstlerische Kollaborationen mit Tanz (Johanne Saunier, Anne Teresa De Keersmaeker) und der bildenden Kunst (Daniel Lévy, Kurt D’Haeseleer, Hans Op de Beeck). Für die Repertoires der wichtigsten europäischen Ensembles für zeitgenössische Musik komponiert Aperghis in enger Zusammenarbeit Auftragswerke (Ictus Ensemble, Klangforum Wien, Remix Ensemble, Musikfabrik, Ensemble Modern, Ensemble intercontemporain, Neue Vocalsolisten Stuttgart, SWR Vokalensemble Stuttgart).
„Aperghis hat sich sicherlich die Freiheit erarbeitet, sich auf das Hochseil zu stellen, den Sturz zu riskieren. Aber der Unterschied ist, dass er weiß, wenn der Akrobat fällt, fällt er nicht ins Leere: er fällt auf andere Drähte, von denen er noch höher springen kann!!! Man kann mit der Gefahr verhandeln, mit ihr spielen, sie zu einem Fluchtpunkt am Horizont machen. In seinem Fall ist sie immer präsent. Sie taucht immer wieder auf, immer dann, wenn unvorhergesehene Elemente eingeführt werden; nicht um die formale Kette der Komplexität zu durchbrechen, sondern um andere Ausdrucksformen zu finden.“ (aus L’hétérogénèse, Interview von Felix Guattari mit Georges Aperghis, transkribiert von Antoine Gindt)
Jüngste Auszeichnungen sind der Mauricio Kagel Musikpreis 2011, der Goldene Löwe für sein Lebenswerk der Biennale in Venedig 2015, der BBVA Foundation Frontiers of Knowledge Award 2016 (Kategorie zeitgenössische Musik) und der Preis der Christoph und Stefan Kaske Stiftung München 2016.