Johan Svensson

Progetto Positano 2021:
Liisa Hirsch & Chris Swithinbank

Progetto Positano ist ein Förderstipendium für junge Komponist*innen, das die Ernst von Siemens Musikstiftung in Zusammenarbeit mit dem ensemble mosaik 2017 ins Leben gerufen hat: Jedes Jahr werden zwei Stipendiat*innen eingeladen, einen Monat in der Casa Orfeo der Wilhelm-Kempff-Kulturstiftung in Positano an der italienischen Amalfi-Küste zu leben und zu arbeiten. Im Anschluss an den Aufenthalt präsentiert das ensemble mosaik die Werke der jeweiligen Stipendiaten im Rahmen eines Doppelporträtkonzerts in Berlin.

Schon zu Lebzeiten lag dem Pianisten und Komponisten Wilhelm Kempff (1895–1991) die Nachwuchsförderung besonders am Herzen, wobei er für seine Beethoven-Interpretationskurse im süditalienischen Positano die Casa Orfeo errichten ließ.

Die Stipendiat*innen werden in Abstimmung mit der Ernst von Siemens Musikstiftung durch das ensemble mosaik jährlich ernannt. Eine Bewerbung ist nicht möglich.

Der erste Stipendiat war 2017 Johan Svensson, ihm folgten Óscar Escudero, Andreas Eduardo Frank, Julia Mihály und Manuel Rodríguez-Valenzuela,  Wojtek Blecharz, Sara Glojnarić, Liisa Hirsch und Chris Swithinbank.

Weitere Informationen:
progettopositano.org

Konzert

Ein großes Dankeschön an Liisa Hirsch, Chris Swithinbank, Enno Poppe und das ensemble mosaik für das beeindruckende Progetto Positano-Porträtkonzert 2021!

 

Programm

LIISA HIRSCH

Cloud Tones (2015) für Bratsche und Klavier

Dynamics of Contact (2017/21) für Streichtrio (UA)

Soluted Harmonics (2021) für Ensemble (UA)

Glides (2014/21)  für Flöte, Klarinette, Saxophon, Klavier, Violine, Viola und Cello

CHRIS SWITHINBANK

this line comes from the past (2019/21) für Ensemble

irrelevant noise [subsection (1)(ab)(ii)] für Klarinette, Viola, Cello und Elektronik (UA)

union|haze (2016) für Ensemble

Liisa Hirsch schreibt für Orchester, Ensembles in verschiedensten Besetzungen und Chor. Zudem ist sie als Theater- und Filmkomponistin aktiv. Das Hauptaugenmerk ihrer Arbeiten gilt einer sensiblen Klangfarbengestaltung und der Fokussierung auf den Klang, sowie der Reinheit der Form und einem forschungsorientierten Kompositionsprozess. Mikrotonale Reflexionen sind in ihren Werken ebenso zu beobachten. In jüngerer Zeit interessiert sie sich besonders für Methoden, die ein konzentriertes Hören fördern.
Hirsch hat in verschiedenen Kollektiven für freie Improvisation und Indie-Musik Keyboard, Synthesizer und Elektronik gespielt. Als Sängerin war sie Mitglied des Vokalensembles Heinavanker, des Kammerchors der Musikakademie Tallinn und im Kammerchor der Universität Tallinn gesungen.
Sie war Lehrerin für freie Improvisation an der Musikakademie Tallinn (2007–2009) und Dozentin an der Universität Tallinn (2011). Von 2011 bis 2013 war sie Musikdirektorin des Estnischen Schauspieltheaters.

Hirsch hat an der Musikakademie Tallinn in der Klasse von Laine Mets Klavier studiert, wo sie auch Kompositionsunterricht von Mati Kuulberg und Timo Steiner erhielt und Improvisation bei Taavi Kerikmäe lernte. Im Jahr 2009 schloss sie ihr Kompositionsstudium an der estnischen Musik- und Theaterakademie bei Toivo Tulev ab und bildete sich fort in Klavier bei Prof. Ivari Ilja, in elektronischer Musik bei Margo Kõlar und in Improvisation bei Prof. Anto Pett. 2015 erwarb sie am Königlichen Konservatorium Den Haag unter der Leitung von Peter Adriaansz und Cornelis de Bondt einen Master-Abschluss in Komposition.
2006 nahm Liisa Hirsch am internationalen Workshop für junge Komponisten in Dundaga, Lettland, teil und 2008 am Meisterkurs für südindische Rhythmik von Rafael Reina teil. Im selben Jahr trat sie beim Moers Festival in Deutschland auf. Darüber hinaus besuchte sie einen Kurs für Aktionstheater (Tutor*innen Ruth Zaporah, Sabine von der Tann, Sten Rudström) und Körperpantomime (Tutorin Elke Luyten).

Ihre Musik wurde bei verschiedenen Festivals gespielt, unter ihnen das Mata-Festival, die ISCM-Weltmusiktage, die Gaudeamus-Muziek-Woche, das Átlátszó Hang Újzenei Fesztivál, die Ostrauer Tage für Neue Musik, Young Euro Classic, die Estnischen Musiktage, Afekt, das Musica Sacra-Festival und das Internationale Kunstfestival in St. Petersburg. Hirsch hat mit dem S.E.M. Ensemble (New York), dem Estnischen Philharmonischen Kammerchor, dem Tallinner Kammerorchester, dem Figura Ensemble (Dänemark), dem THRENSeMBLe Ensemble (Ungarn), dem Elblag-Kammerorchester, dem Estnischen Nationalen Männerchor, dem Estnischen Nationalen Symphonieorchester und anderen zusammengearbeitet.
Für ihre Musik zu Theaterstücken hat Hirsch zweimal den Jahrespreis des Estnischen Theaters erhalten: 2010 für die beste Originalmusik zum Drama (Night of Souls) und 2013 für die beste Originalmusik oder musikalische Gestaltung zum Drama (Iceland’s Bell, Three Sisters, New Electric Ballroom). Im Jahr 2015 wurde ihr Werk Brautigan Circles für Stimmen und großes Ensemble beim Treffen junger Komponisten in Apeldoorn, das vom niederländischen Ensemble Orkest de Erenprijs organisiert wurde, als Siegerstück ausgewählt. Ascending… Descending für Streichorchester erreichte 2015 den 5. Platz beim International Rostrum for Composers und den Neuen Kompositionspreis Au-tasu der LHV Bank 2016. Hirschs Orchesterwerk Mechanics of Flying gewann den Europäischen Komponistenpreis beim Festival Young Euro Classic in Berlin. Im Jahr 2017 wurde Liisa Hirsch mit dem Heino-Eller-Musikpreis ausgezeichnet.

emic.ee/liisa-hirsch

Chris Swithinbank:

Mit meiner Musik hoffe ich, Türen zu öffnen in Welten, die sonst vielleicht gar nicht existieren würden. Sie soll Materialien zu Gesamtkontexten zusammenführen, die widerstandsfähigen menschlichen Performer eine Gemeinschaftsanstrengungen abverlangen. Mich interessiert die Arbeit in instabilen und kontingenten Situationen, die zugleich eine Reaktion erfordern, den beteiligten aber auch Freiheit bieten. So zum Beispiel in meinem Streichquartett union-seam, in dem die Interpret*innen sich ein Instrument teilen, wobei sie mitunter durch gemeinsames Handeln einen einzigen Klang erzeugen, wodurch sie einen intimen Reaktionsraum zwischen einander und der Resonanz ihres gemeinsamen Instruments erschaffen.

Vor kurzem habe ich meine Dissertation an der Harvard-Universität (USA) bei Chaya Czernowin, Vijay Iyer und Hans Tutschku abgeschlossen. Dem gingen Studien voran im Rahmen des Cursus-1-Programms am IRCAM (Frankreich) mit einem Entente-Cordiale-Stipendium und an der Universität von Manchester (Großbritannien), wo ich einen Bachelor- und einen Master-Abschluss in Musik und Komposition bei Ricardo Climent machte. Weitere wichtige musikalische Begegnungen waren Gespräche mit Pierluigi Billone, Michael Pisaro, Rebecca Saunders, Steven Kazuo Takasugi und Jennifer Walshe sowie die Arbeit mit den Musiker*innen des JACK Quartetts, des ensemble mosaik, der soundinitiative, des Talea Ensemble, des Trio Atem und von Yarn/Wire, um nur einige zu nennen.

Zusätzlich zu meiner kompositorischen Arbeit habe ich als Dozent an den Lehrstühlen von Claire Chase, Chaya Czernowin, George Lewis und Hans Tutschku tätig in den Bereichen improvisierte und experimentelle Musik, Studiokomposition und kollaborative kreative Praxis. Ich habe eine Reihe von pädagogischen Tools für Creative Audio Programming entwickelt und war regelmäßig als technischer Assistentin der Komponistin Clara Iannotta tätig. Im Herbst 2018 erschien eine Sonderausgabe von CR: The New Centennial Review über Musik und kritische Theorie, die ich gemeinsam mit dem Philosophen Irving Goh herausgegeben habe.

chrisswithinbank.net

ensemble mosaik

Kristjana Helgadottir – Flöte, Simon Strasser – Oboe, Christian Vogel – Klarinette, Martin Losert – Saxophon, Roland Neffe – Schlagzeug, Ernst Surberg – Klavier, Chatschatur Kanajan – Violine, Sarah Saviet – Violine, Karen Lorenz – Viola, Mathis Mayr – Cello, Niklas Seidl – Cello, Arne Vierck – Klangregie, Enno Poppe – Leitung

Das ensemble mosaik hat sich seit seiner Gründung 1997 als besonders vielseitige und experi­mentier­freudige Formation zu einem renommierten Ensemble für zeit­ge­nös­sische Musik entwickelt. Seine Mitglieder zeichnen sich nicht nur durch ihre instrumentalen Fähigkeiten, sondern auch durch ihre kreative Individualität und Experi­mentier­freu­dig­keit aus. In langjähriger Zusammenarbeit haben sie einen profilierten Klang­körper geschaffen, der auf höchstem künstlerischen Niveau Offenheit gegenüber verschiedensten Konzeptionen zeitgenössischer Musik beweist. Die Aktivitäten des Ensembles sind geprägt von der engen Zusammen­arbeit mit Komponisten der jungen und jüngeren Generation und der Einbindung digitaler Medien in den Bereichen Komposition, Interpretation und Präsentation. Bevorzugt wird dabei eine egalitäre Arbeitsweise im Austausch mit allen an einem Konzertprojekt beteiligten Akteuren. Durch die Öffnung von Arbeitsprozessen wird Kreativität gebündelt und intensiviert. Mit vielen Komponisten arbeitet das ensemble mosaik seit Jahren kon­tinuier­lich zusammen und ermöglicht so, Musik über lange Zeiträume hinweg in einem ge­meinschaft­lichen Prozess zu entwickeln. Ein besonderer Schwerpunkt der künstle­rischen Arbeit liegt in der Auseinander­setzung mit neuen Ansätzen der Auf­füh­rungs­­praxis, beispiels­weise durch die Einbindung szenischer und visueller Elemente, und der Erprobung neuer Konzertformate, die einzelne Werke im Kontext eines Gesamtzusammenhangs reflektieren, aktuelle Strömungen fokussieren und neue Perspektiven erproben. In Kooperationen mit Künstlern anderer Sparten oder Musikgenres werden die Konzerte selbst zur Ex­peri­mental­­an­ord­nung. Mit dem ensemble mosaik verbindet die Ernst von Siemens Musikstiftung eine langjährige und vertrauens­volle Zusammenarbeit, die mit dem neuen Förder­stipendium Progetto Positano zu einer mehrjährigen Kooperation ausgeweitet wird.

ensemble-mosaik.de

Johan Svensson

Die Casa Orfeo im süditalienischen Positano wurde von dem Pianisten und Komponisten Wilhelm Kempff (1895–1991) errichtet.